Schwester Cordula

am 18.11.2023 in der Baulandhalle

Die Metamorphose von Kitsch zu Kunst – Heile Welt fürs kranke Gemüt

Schwester Cordula sorgt mit ihrem „musikalischen Groschen-Theater“ für ausverkauftes Haus

Bisweilen bietet die Kleinkunst überraschend Neues, das sich nur schwerlich einem bestimmten Genre zuordnen lässt. Man stelle sich eine Art szenische Lesung vor, mit viel Pathos und noch mehr Humor vorgetragen, umrahmt von thematisch stimmigen Liedern. So weit, so bekannt. Wenn nun aber die literarischen Vorlagen für dieses Programm ausgerechnet die weithin ach so verpönten Groschenromane sind, versagt die offizielle Kategorisierung. Saskia Kästner bezeichnet deswegen ihre Kunst als „musikalisches Groschen-Theater“ und bringt darin als Schwester Cordula eine Kombination aus Schauspiel, Gesang und Kabarett auf die Bühne. Sie hat für ihr Programm „Ich bin an meinen Eid gebunden“ die bekanntesten Stereotypen, die schwülstigsten Liebesgeschichten und die fiesesten Verstrickungen aus der Rubrik der Arztromane seziert, gemixt und derart auf die Spitze getrieben, dass Schmalz und Ironie gleichermaßen aus allen Zeilen tropfen. Ihr kongenialer Bühnenpartner und Sidekick ist Dirk Rave am Akkordeon. Er untermalt das Geschehen und bietet natürlich auch die passende instrumentale Begleitung für Kästners Gesang.

Die ungewöhnliche Metamorphose von Kitsch zu Kunst, wie sie Schwester Cordula in ihren mittlerweile drei unterschiedlichen Programmen gelingt, begeistert nicht nur ihr Publikum seit Jahren, sondern hat aktuell die verdiente Würdigung einer Fachjury, verbunden mit der Verleihung des Kleinkunstpreises Baden-Württemberg 2023, bekommen. Wieder einmal hatten also die Verantwortlichen der Kulturkommode Osterburken im Vorfeld ein glückliches Veranstalter-Händchen bewiesen, als sie das Duo für die letzte Veranstaltung des laufenden Programmjahres engagierten. Und so passte es zu der ohnehin schon außergewöhnlich erfolgreichen Veranstaltungsreihe des Kleinkunst- und Kulturvereins, dass auch beim Gastspiel von Schwester Cordula in der Baulandhalle erfreulich viele Zuschauer für ein ausverkauftes Haus sorgten und neugierig waren auf diese etwas andere Art der Musik-Comedy.

„Heile Welt fürs kranke Gemüt“ umschreibt die Schauspielerin und Sängerin Saskia Kästner die Idee, die hinter Schwester Cordula steckt. Begonnen hatte alles, als sie vor etwa 15 Jahren im Rahmen einer Ausstellungsreihe passend zum Thema ein Stück heile Welt aus Groschenromanen zunächst noch unkommentiert vortrug, um schließlich die besten Original-Zitate, Selbstgeschriebenes und medizinische Erfahrungsberichte von Zuschauern zu einer Arztroman-Essenz zu verdichten: der Grundstock ihres heutigen Bühnenprogramms. Als sie einige Zeit später den Musiker und Regisseur Dirk Rave bei einer gemeinsamen Theaterproduktion kennenlernt, wird schnell klar, dass er mit seinem Akkordeon Saskias Texte um eine musikalische Komponente bereichern würde. Und so singt sich seither Schwester Cordula mit französischen Chansons, Schlager und Pop-Songs durch die Handlung der Romane und ihrer Mixtur aus hoffnungsloser Romantik, Drama und einer Prise Erotik. Und niemand kann diese unterschiedlichen Gefühlswelten so glänzend überhöhen und mit Witz und Ironie darstellen wie Saskia Kästner als Schwester Cordula.

In Sekundenbruchteilen schlüpft sie in die verschiedensten Rollen, liest und spielt den Traum-Oberarzt Dr. Jürgen Hartmann (der mal so ganz nebenbei fachfremd einen Hirntumor operiert), die bildschöne Fachärztin für Kinderheilkunde Dr. Elke Maria Dahlberg oder die intrigante französische Chefarzttochter Judith von Roggenkamp und entfacht so die Glut echter Leidenschaft, den Stachel der Eifersucht oder die Furcht vor eiskalter Berechnung – ein umwerfendes Feuerwerk des Kitsches eben.

Diese Groschenheftsatire wird so zur virtuos dargebotenen Kür für eine Krankenschwester, ihren musiktherapeutischen Langzeit-Zivi und einen Arztroman. Mag man auch diese Art von Literatur in ihrer Banalität belächeln – das Osterburkener Publikum hat sich an diesem Abend auf jeden Fall köstlich über die Interpretation von Schwester Cordula amüsiert.

Text: Martin Hammer
Fotos: Michael Pohl