Jess Jochimsen

am 30.11.2019 in der Alten Schule

Der Advent gilt ja gemeinhin als Zeit der Ruhe und Besinnlichkeit. Nicht so bei einem Abend mit Jess Jochimsen, der bei der Kulturkommode die vorweihnachtliche Zeit mit einem kritischen Jahresrückblick und humorvollen Kindheitserinnerungen einläutete. Fast schon traditionell war auch diese Kabarett-Veranstaltung in der Alten Schule schon im Vorfeld ausverkauft gewesen – kein Wunder, war mit Jochimsen doch erneut ein preisgekrönter und medienpräsenter Meister der Gesellschaftssatire zu Gast beim Osterburkener Kleinkunst- und Kulturverein.

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Jedes Jahr von Ende November bis zur Bescherung spiele er sein Jahresendzeitprogramm „Vier Kerzen für ein Hallelujah“, so der gebürtige Münchener zu Beginn, und doch sei dies jedes Mal anders. Denn in der ersten Hälfte des Abends liefert Jess Jochimsen einen politischen Jahresrückblick, der so tagesaktuell ist, dass Teile davon erst kurz vor der Veranstaltung entstehen. So hörte das Publikum vom gerade erst verkündeten Ergebnis der Wahl der SPD-Vorsitzenden, um gleich darauf Jochimsens Urteil zur Halbzeitbilanz der GroKo zu erfahren: Für eine Halbzeitbilanz sei es ja eigentlich zu früh, denn in der ersten Zeit nach den Bundestagswahlen gab es ja gar keine Regierung. „Und das lief erstaunlich gut“, findet der heute in Freiburg lebende Multikünstler.

Seit 1995 tourt Jochimsen als freiberuflicher Comedian über deutschsprachige Kleinkunstbühnen, arbeitet für Hörfunk und andere Medien und ist Autor zahlreicher Bücher. Auch ein Anklang seines früheren Studienfachs Philosophie findet sich in seinem Programm. Was hat den Einzelnen im Verlauf der letzten zwölf Monate mehr bewegt, was wird noch lange nachwirken? Da gibt es beispielsweise in jedem Jahr die Nachrichten von falschen Ärzten und depressiven Briefträgern, die Tausende von Briefen zuhause stapeln, um womöglich ihre potentiellen Empfänger vor schlechten Nachrichten zu bewahren. Er finde das eigentlich rührend, so der 49jährige, nur um kurz darauf zu relativieren: „Meine Gedanken möchte ich manchmal nicht haben.“

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Wichtig bleibe es, Fragen zu stellen. Und zum Glück hat Jochimsen genügend davon und schweift von Kapitalismuskritik über das berüchtigte Ibiza-Video, Greta Thunberg bis hin zu Donald Trump. Den vergleicht er überraschenderweise mit Pippi Langstrumpf: „Fehlende Bildung, peinliche Frisur – alles egal, wenn man nur genug Geld hat.“

Und dann lässt es Jess Jochimsen doch noch richtig weihnachtlich werden. Ironisch und trotzdem mit viel Empathie erzählt er von den adventlichen Erinnerungen an seine Kindheit und von dem sich heute immer wieder einstellenden „Driving home for Christmas“-Gefühl. Fünf Kilometer vor dem Heimatdorf fühle er sich stets wie der 12jährige Junge von früher. Und so folgt schließlich, den Großteil der zweiten Hälfte einnehmend, die Erzählung vom „Krippenspiel“, der herrlich schrägen und urkomischen Weihnachtsgeschichte, die er damals in der 2. Klasse als Bühnenstück aufgeführt hat. Die Zuhörer amüsierten sich bestens an der Vorstellung der teilweise unpassenden Hauptdarsteller, fünf Heiligen Königen und dem unzähligen Personal des Zuges, mit dem Maria und Josef nach Bethlehem fahren mussten, um die vielen Schüler mit Rollen zu versehen und nicht zuletzt einem tief sitzenden Esel-Trauma. Am Ende kommt es, wie es kommen muss: der Höhepunkt des Spiels wird unterbrochen, als der, von der Decke hängende, Verkündigungsengel unsanft auf die Bühne segelt und dem Ganzen ein etwas plötzliches Ende bereitet.

Und so endet schließlich auch das unterhaltsame und doch bisweilen zum Nachdenken anregende Programm von Jess Jochimsen – und dabei sind noch nicht einmal seine Songs, bei denen er sich mit Gitarre, diatonischer Knopfharmonika und Fingerhut begleitet, und die selbst fotografierten Schnappschüsse mit Alltagskuriositäten erwähnt. Das Osterburkener Publikum war begeistert von diesem Abend, der so vieles bot, nur keine Besinnlichkeit – die kommt ja schließlich noch früh genug.

Text: Martin Hammer
Fotos: Michael Pohl