Nun flog Dr. Bert Rabe

am 08.06.2024 in der Alten Schule

Wenn Augenblicke zu emotionaler Musik werden – Modernes Songwriter-Duo vertont Geschichten über das Übliche aus Dr. Bert Rabes Notizbuch

Wenn auch das Programm vom Titel her eigentlich „Geschichten über das Übliche“ versprach, war das Konzert von „Nun flog Dr. Bert Rabe“ in der intimen Atmosphäre der Alten Schule in Osterburken alles andere als gewöhnlich. Die Verantwortlichen der Kulturkommode hatten sich mit der letzten Veranstaltung vor der Sommerpause stilistisch von einer Seite an das Genre „Songwriter“ gewagt, die so noch nicht bei dem Kleinkunstverein zu erleben war. Und um es vorwegzunehmen: die Zuhörer jeglicher Altersgruppen zeigten sich am Ende des Abends absolut begeistert ob der Phantasie und der Musikalität, mit der Mila Fischer und Hannes Scharrer ihre Texte auf moderne Art und Weise in tief berührende Melodien packen. Inhaltlich sind die Songs der beiden aus der Nähe von Nürnberg beheimateten Musiker bisweilen schwer zu fassen – es gibt mit Absicht keine politischen oder gesellschaftlichen Botschaften, die es zu interpretieren gilt. Die Lieder von „Nun flog Dr. Bert Rabe“ sind Musik gewordene Augenblicke, Erinnerungen oder Emotionen in nicht selten eher reduzierten Texten. Bisweilen gleichen sie surrealen Gemälden, die sich dem Betrachter nicht auf den ersten Blick erschließen, sondern erst in Verbindung mit der Musik ihre ganze Schönheit entfalten.

Hannes hatte Mila einst in einer Kneipe singen hören und daraufhin Klavier spielen gelernt, weil er seit dem Moment wusste, dass er mit ihr zusammen Lieder schreiben wollte. Das Songwriting ist letztendlich eine Gemeinschaftsarbeit, wobei die Texte zumeist von Hannes stammen und Mila die Harmonien und Melodien beisteuert. Neben dem Keyboard ist vor allem Mila Fischers Bratsche stilgebend für die Musik der Band, die seit 2019 ihre Musik live präsentiert und eigentlich gemeinsam mit einem Schlagzeuger aus drei Personen besteht. Dass das Ganze jedoch auch bestens als Duo ohne jegliche Samples und andere Technik funktioniert, bewies der Abend in Osterburken eindrucksvoll, denn in dieser reduzierten Form kam Milas einfühlsame Stimme umso mehr zur Geltung. Und wie gut passt diese zu den Songs, denen zumeist eine gewisse Schwermut zugrunde liegt!

Es geht um Einsamkeit, um das Vermissen, um Kindheitserinnerungen oder den Wunsch, den Tod noch ein wenig vertrösten zu können. Die Bilder, mit denen diese Emotionen erzeugt werden („Papierfliegerfrau“, „Popcorn & Giraffenkot“) mögen zunächst etwas abstrakt erscheinen, erschließen sich aber im Verlauf der wundervollen Lieder und lassen auch die Zuhörer keinesfalls unberührt.

Nachdem die Songs für ihr Album produziert waren, ist den beiden eine Rahmengeschichte dazu eingefallen, in der Bert Rabe in seiner Lieblingskneipe sitzt und beginnt, Begebenheiten, die er beobachtet oder erlebt hat, in einem Notizbuch niederzuschreiben. Nahtlos fügen sich so die Lieder in diese Handlung ein, die es mittlerweile im Internet auch als Hörspiel zu hören gibt.

Warum Mila und Hannes sich den Namen „Nun flog Dr. Bernd Rabe“ gegeben haben, soll an dieser Stelle allerdings nicht aufgelöst werden, denn die Erklärung wäre einfach zu profan für den Zauber, den diese ungewöhnliche Band mit ihren wunderschönen musikalischen Geschichten über das Übliche bei ihrem Publikum entzündet.

Text: Martin Hammer
Fotos: Michael Pohl